Wechseljahre am Arbeitsplatz
- Margot Freiler
- 4. Sept.
- 5 Min. Lesezeit

Kennst du das? Du sitzt in einem Meeting, die Hitze schießt dir in den Kopf, du hast das Gefühl, deine Gesichtsfarbe hat sich gerade in tomatenrot gewandelt, auf der Stirn bildet sich Schweiß, du spürst auch, wie der Schweiß über den Hals und den Rücken läuft, dein Herzschlag wird schneller, die Hitze umgibt dich wie eine Wolke, und am liebsten würdest du schreiend aus dem Raum laufen und dir die Kleider vom Leib reißen.
Doch du bleibst sitzen, reagierst nicht, hoffst, dass die Hitzewallung bald wieder vorüber ist und niemand deinen hochroten Kopf und die Schweißperlen entdeckt. Das ist nur eine der vielen unangenehmen Situationen, die ich in den Wechseljahren am Arbeitsplatz erlebt habe und ich bin mir sicher, ich bin damit nicht alleine.
Diese beschriebene Situation beinhaltet schon alle Punkte, auf die ich in diesem Blogartikel noch eingehen möchte:
Wechseljahresbeschwerden
Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit
Arbeitsumfeld & Kommunikation
Wechseljahre ein Tabuthema am Arbeitsplatz?
Einfluss auf Karriereentscheidungen
Wissen hilft und hilfreiche Unterstützungsangebote
Jede Frau kommt in die Wechseljahre. Sowohl die Beschwerden und auch die Intensität der Beschwerden sind individuell verschieden. Man geht davon aus, dass ein Drittel der Frauen keine Beschwerden, ein Drittel leichte und ein Drittel starke Beschwerden hat. Wenn man bedenkt, dass ca. 1 Million Frauen in Österreich in den Wechseljahren sind, leiden sehr viele unter starken Beschwerden, die die Arbeitsfähigkeit massiv beeinträchtigen und Karrierentscheidungen wie z.B. Stundenreduktion oder frühzeitig in Pension zu gehen zur Folgen haben können.
Die Veränderungen durch die Reduktion der Hormonproduktion von Östrogen und Progesteron finden nicht nur auf körperlicher Ebene statt, auch die psychische und emotionale Dimension müssen berücksichtigt werden. Und was auch zu bedenken ist: Die Wechseljahre machen keinen Unterschied zwischen privatem Leben und Arbeitsleben. Gereiztheit, depressive Verstimmungen, Panikattacken, Konzentrationsprobleme, angeknackstes Selbstbewusstsein, Erschöpfung machen nicht vor der Bürotür Halt, all das beeinflusst das Privatleben genauso massiv wie das Arbeitsleben und die Arbeitsleistung.
ERST 2024 IN DER FORSCHUNG ANGEKOMMEN
Vor knapp einem Jahr wurde das Ergebnis einer Online-Umfrage im Rahmen des Forschungsprojektes Menosupport Austria 2024 (Quelle: https://www.wechselweise.net/rte-images/Files_fuer_Download/MenoSupportAustria_2024.pdf ) veröffentlicht. Ich habe auch an dieser Umfrage teilgenommen, da ich selbst in den Wechseljahren in Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz negative und positive Erfahrungen gemacht habe und finde, es ist wirklich an der Zeit, dass in der Arbeitswelt eine Sensibilisierung bezüglich dieses Themas stattfindet und Maßnahmen ergriffen werden, damit eine Frau mit Beschwerden im Arbeitsalltag Unterstützung erfährt.
In dieser Umfrage wurden u.a. abgefragt:
Wissensstand zu den Wechseljahren,
Einfluss der Wechseljahresbeschwerden auf die Arbeitsfähigkeit,
Arbeitsumfeld & Kommunikation
Symptome und Beeinträchtigung am Arbeitsplatz,
Einfluss auf Karriereentscheidungen
Hilfreiche und wünschenswerte Unterstützungsmaßnahmen.
Übrigens wurden kürzlich auch Studienergebnisse zu diesem Thema in der Schweiz veröffentlich. Mehr als 2.200 Frauen wurden zu diesem Thema befragt. Die Zahlen ähneln - nicht wirklich überraschend - den Zahlen aus Deutschland und Österreich.
SCHLECHTER SCHLAF ... SCHLECHTER (ARBEITS)TAG

Bezüglich Beeinträchtigung am Arbeitsplatz aufgrund von Symptomen haben 71,4 % (!) der Frauen an 1. Stelle körperliche und geistige Erschöpfung und an 2. Stelle Schlafstörungen (61,9%) genannt. Wer kennt nicht die Auswirkungen nach ein paar Nächten mit schlechtem Schlaf. Schlafstörungen wirken sich nachweislich auf das Gedächtnis, die Fähigkeit zu strategischem Denken und die Stimmungslage aus. In den Wechseljahren gehört es sozusagen zum Lebens- und Arbeitsalltag. Müde oder sogar erschöpft die gleiche Leistung zu bringen, geht sich einfach nicht aus.
An 3. Stelle werden Hitzewallungen, Schwitzen (58,5 %) als beeinträchtigend im Arbeitskontext genannt. Als bei mir die Wallungen noch ein relativ frisches Symptom waren, empfand ich sie nicht nur als unangenehm, sondern auch als peinlich. Mein rotes Gesicht, der Schweiß, und das meistens in Arbeitssituationen wie Meetings mit Kolleg:innen und Chef. Würde ich heute eine sichtbare Wallung samt intensivem Schweißausbruch erleben, würde ich es kommentieren. Ich würde meinen Fächer aus der Tasche holen, mir kühle Luft zufächern und sagen, was Sache ist. (Es liegen Jahre der Entwicklung und Transformation zwischen der anfangs geschilderten Situation und meiner jetzigen Haltung dazu).
Nach den Wallungen folgen Reizbarkeit (50,1%) und depressive Verstimmung (40,6%). Konkret sprechen die Frauen davon, dass sie sich weniger gut konzentrieren können (66,4 %), sich gestresster (64,1 %) und ungeduldiger/gereizter gegenüber anderen fühlen (45,5 %), sowie sich weniger selbstbewusst bezüglich ihrer Fähigkeiten wahrnehmen (32,2 %). Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache im Hinblick auf Sensibilisierung für dieses Thema am Arbeitsplatz. Wie sieht es laut der Umfrage also konkret am Arbeitsplatz aus?
TABUTHEMA AM ARBEITSPLATZ
Obwohl die Wechseljahre eine natürliche Übergangsphase im Leben einer Frau sind, werden sie am Arbeitsplatz häufig tabuisiert und kaum thematisiert. Auch bei diesem Umfragepunkt ist das Ergebnis wenig überraschend: Fast die Hälfte der Frauen sagt, dass nicht über die Wechseljahre gesprochen wird und gibt an, sich mit dem Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz allein gelassen zu fühlen, nur 3,9 % der Befragten erleben den Arbeitgeber als unterstützend. 22,9% befürchten, benachteiligt zu werden, wenn andere im Unternehmen wissen, dass sie unter Wechseljahresbeschwerden leiden, die Angst vor Diskriminierung aufgrund von Wechseljahressymptomen spielt also eine große Rolle.
Auch das Selbstwertgefühl leidet: Fast 43 % der Frauen gibt an, dass die Wechseljahre das Selbstwertgefühl negativ beeinflusst haben und ein Viertel fühlt sich am Arbeitsplatz weniger wertgeschätzt als jüngere Kolleginnen.
KARRIEREENTSCHEIDUNGEN
Viele Frauen reduzieren in den Wechseljahren ihre Arbeitszeit, nehmen sich berufliche Auszeiten oder denken sogar über einen vorzeitigen Pensionsantritt nach. Rund 20 % der Befragten haben aufgrund der Beschwerden ihre Arbeitsstunden verringert, 15,2 % haben sich eine berufliche Auszeit genommen, und 14,4 % über 55 Jahre erwägen, frühzeitig in Pension zu gehen. Diese Zahlen zeigen deutlich, wie sehr die Wechseljahre die Karriere und die finanzielle Absicherung der Frauen beeinflussen können.
WISSEN HILFT
"Wissen hilft", das ist mein Motto und es ist für mich ein ganz entscheidender Faktor. Frauen, die über die Wechseljahre informiert sind, sind besser auf diese Erfahrung vorbereitet, können besser für sich selbst sorgen und die Unterstützung einfordern, die sie benötigen. Es ist also ein erster wichtiger Schritt, dass die Frauen ein Bewusstsein für ihre Symptome und deren Auswirkungen auf ihr Berufsleben entwickeln. Sie können dadurch ihre eigenen Entscheidungen treffen und Anpassungen vornehmen, z. B. eine Hormontherapie bei starken Beschwerden oder eine Behandlung mit pflanzlichen Heilmitteln.
DAS TABU BRECHEN: OFFENHEIT UND SENSIBILISIERUNG SIND GEFRAGT
Die Umfragergebnisse zeigen die Dringlichkeit dieses Thema auf. Wünschenswert wäre eine wechseljahresfreundliche Arbeitskultur. Unternehmen sollten ihre Führungskräfte für das Thema sensibilisieren, damit sie die besonderen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen verstehen und angemessen reagieren können. Um die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von Frauen in dieser Lebensphase zu fördern, sind betriebliche Maßnahmen unerlässlich, selbstverständlich im Rahmen der Möglichkeiten. Es gilt, diesbezüglich die Art der Arbeit zu berücksichtigen, um geeignete Maßnahmen für Mitarbeiterinnen zu ergreifen.
Arbeitgeber sollten flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, damit Frauen ihre Arbeitszeit an ihre Symptome anpassen können, z.B. durch Gleitzeit. Spezifische Angebote im betrieblichen Gesundheitsmanagement könnten auf die physischen und psychischen Herausforderungen in den Wechseljahren eingehen, wie etwa Angebote zur Entspannung (Yoga oder Atemmeditation). Auch bei der Arbeitsumgebung gibt es durchaus Möglichkeiten, auf die Bedürfnisse der Frauen einzugehen, indem man für angenehme Raumtemperaturen und für Rückzugsorte sorgt.
Als extrem wichtig erachte ich es, eine offene Kommunikationskultur zu fördern, damit Frauen sich trauen, über ihre Beschwerden zu sprechen, ohne Angst vor Stigmatisierung.
Die Wechseljahre bewegen sich erst seit ein paar Jahren allmählich aus der Tabuzone heraus, daher wird es noch dauern, bis Unternehmen die Integration des Themas in den betrieblichen Alltag erfolgreich umsetzen (können).



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